März 2018
Leonhard F. Seidl ist ein politischer Schriftsteller, der in seinen Romanen reale Ereignisse recherchiert und meist mit einer Kriminalhandlung verknüpft. So auch in seinem neuesten Roman »Fronten«, in dem es um einen Amoklauf geht, der sich vor 30 Jahren in Dorfen, einem kleinen Städtchen in Oberbayern, nur wenige Kilometer von Leos Elternhaus entfernt, zugetragen hat.
Die Filmemacher gehen mit Leo auf eine Reise in seine Jugend. Sie besuchen gemeinsam mit ihm Orte, an denen sein teilweise autobiographischer erster Roman »Mutterkorn« spielt.
Während seine Altersgenossen sich im Fußballverein trafen, entdeckte Leo seine Liebe zum Punk. Durch die fremdenfeindlichen Ereignisse von Solingen, Mölln und Rostock-Lichtenhagen Anfang der 1990er Jahre wurde er politisiert. Recht früh musste er erkennen, dass man mit bunten Haaren und als jemand, der eine andere Meinung vertritt als die konservative Mehrheitsgesellschaft, schnell das eine oder andere Mal Prügel bezieht.
Eine Zeit, die den inzwischen 41- jährigen Schriftsteller geprägt hat und ihn zu einem Menschen werden ließ, der sich bis heute als Aktivist entschieden gegen die Verbreitung rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Gedankengutes einsetzt, gleichzeitig aber in seinen Romanen differenziert und feinfühlig nach Gründen sucht, weshalb sich Menschen in die eine oder andere Richtung entwickeln.
Ein Portrait eines engagierten Menschen und Schriftstellers, der mit seinen Büchern mehr will als unterhalten.
Dezember 2017
»Er war Poet, Philosoph, Musiker und Künstler. Er war so durch und durch Künstler, dass er Interpretationen und Erläuterungen über seine Arbeit und sachliche Erklärungsversuche der menschlichen Existenz, und des Lebens an sich für dummes eitles Geschwätz gehalten hat. Philipp war Menschenfreund, Mokkatrinker, Feinschmecker, wunderbarer Zuhörer und begnadeter Erzähler.«, so lautet die Ankündigung zu einer Veranstaltungsreihe, die Freunde und langjährige Weggefährten im Herbst 2017 aus Anlass des ersten Todestages von Philipp Moll organisiert haben.
Als wir Philipp Moll 2012 im Rahmen eines Filmes über die Fürther Künstlerin Julia Frischmann kennenlernten, entstand schnell der Wunsch, Philipp filmisch zu portraitieren. Als er im letzten Jahr verstarb, war schon vieles gedreht. Mit der Unterstützung von Philipps Freunden ist es gelungen, den Film fertigzustellen. Entstanden ist ein Portrait und gleichzeitig ein Nachruf auf einen besonderen Künstler und Menschen.
Philipp Moll stammte aus Lauf, absolvierte eine Schreinerlehre und studierte zunächst evangelische Theologie, bevor er an die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg wechselte und dort sein Kunststudium abschloss. Schon während der Schulzeit lernte er seinen langjährigen Freund Matthias Egersdörfer kennen. Beide stellten schnell fest, dass sie den gleichen Humor haben und so begann bereits am Gymnasium eine kreative Zusammenarbeit. In den 1990er Jahren lebte Philipp mit Freunden auf einem alten Bauernhof im fränkischen Winterstein. Sie gründeten den Kulturverein Winterstein und nutzten den ehemaligen Kuhstall für Ausstellungen, Lesungen und Konzerte. In dieser Zeit entstand auch die Band Fast zu Fürth, in der Philipp Moll bis zuletzt das Waschbrett und allerlei andere kleine Instrumente bediente.
Mit dem Bauernhaus in Winterstein hatte es 1996 ein Ende. Zur Freude von Philipp ergab sich 2004 in der Nürnberger Südstadt erneut die Möglichkeit, Wohnen und künstlerische Aktivitäten zu verbinden. Im Kunst- und Kurhaus Katana e.V. brauchte Philipp nur eine Treppe hinunterzugehen, um sich auf der Bühne in seiner monatlichen Veranstaltungsreihe »Molls bunter Trichter« mit seinen Gästen zu treffen oder seine literarischen Arbeiten wie Briefe an sich selbst, Zeitunsgskolumnen oder sein 2013 erschienenes Buch »Blumen und Wurst« dem Publikum zu präsentieren.
Im Bereich der Bildenden Kunst arbeitete Philipp ab 2006 unter dem Label Die Weltanschauungsbeauftragten mit Martin Fürbringer zusammen. Mit ihren Arbeiten sahen sie sich als Gegenpol zu einer sich immer stärker kommerzialisierenden Kunstwelt und beschlossen, gemeinsam im Bereich der »Kultursterbebegleitung, Paranoiaevaluation oder Muttermechanik« zu forschen.
Mit Philipp Moll hat die Region einen Menschen verloren, der in seiner menschlichen und künstlerischen Einzigartigkeit bei denen, die das Glück hatten, ihn kennen zu dürfen, noch lange in Erinnerung bleiben wird.
August 2017
Die Welt ist voller Dinge. Manche von ihnen verwandeln sich im Lauf ihres Lebens in Sammlerstücke und halten sich auf ihrer Reise von Mensch zu Mensch eine Weile bei Mustafa Cevik auf. Schon von früher Jugend an hat er sich in Museen, Auktionshäusern und auf Flohmärkten zum Fachmann für Kunst und Nippes, Schmuck und Spielzeug, Postkarten und Bücher ausgebildet – bis er zu einem wahrhaften Herrn der Dinge wurde. Der Film wirft einen Blick in sein faszinierendes Trödelladenreich, in dem (fast) jeder Suchende fündig wird – mehr oder minder beeinflusst von Herrn Ceviks fränkischer und türkischer Eloquenz.
März 2017
Der Künstler Fredder Wanoth beschäftigt sich seit über 20 Jahren auf ebenso eigenwillige wie phantasievolle Weise mit dem urbanen Raum, seinem Erscheinungsbild und seinen soziostrukturellen Bezügen. Systematisch bereist Wanoth seit vielen Jahren Ost- und Mitteleuropa – auf seinen Reisen nach Tschechien, Polen, Mazedonien und Russland erforscht der Künstler mit ethnologischem Gespür die mannigfaltigen Formen urbanen Lebens und urbaner Architektur.
Das Unterwegssein ist für den Städte-Sammler und Städte-Ergründer Wanoth eine Passion, die ihn abseits des touristischen Mainstreams in Städte und Ortschaften führt, die der globalen Nivellierung noch etwas entgegenzusetzen haben. Fredder Wanoth zieht es vor, ohne Navigation zu reisen, delegiert die schöne Aufgabe der Reise- und Routenplanung an kein satelliten-gestütztes Global Positioning System (GPS), sondern lässt sich treiben und von den Dingen, die ihm begegnen, berühren.
Die Reiseeindrücke werden mit einer einfachen Kompaktkamera festgehalten und später in Skizzen umgesetzt, die man dann in den zahlreichen Reisetagebüchern und Arbeitsjournalen des Künstlers bestaunen kann. Gleichzeitig dienen die Fotos als Material- und Ideenspeicher für seine visionären architektonischen Gegenentwürfe.
Häufiger Begleiter – speziell auf Zugreisen – ist der Schriftsteller Elmar Tannert. Gemeinsam fahren sie in die böhmische Kleinstadt Sokolov und werden dabei von der Filmemacherin Cherima Nasa begleitet.
Dezember 2016
Ursula Kreutz ist eine der Künstler*innen, deren Arbeiten man derzeit auf dem Nürnberger Johannisfriedhof in dem Kunstprojekt »Unendlich still...« sehen kann. Wir haben Ursula Kreutz vor einigen Jahren filmisch portraitiert.
Ursula Kreutz ist eine vielseitige Künstlerin. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist einerseits die intensive, interdisziplinäre und experimentelle Erforschung der Möglichkeiten des Mediums Fotografie, andererseits das übergreifende Thema der Erinnerung und damit verbunden das Hinterfragen von Wahrnehmung. Dabei macht sie sich oftmals selbst zum Gegenstand der Hinterfragung, indem sie in ihren Arbeiten in Form einer »Selbstuntersuchung« visuell und teilweise auch physisch präsent ist.
Ihre fotografischen Arbeiten sind oftmals auf fotobedruckten transparenten Stoffen aufgetragen, die einen leichten Moiré-Effekt sowie kalkulierte Unschärfe hervorrufen, und werden in Bildkästen oder in von ihr gestalteten Räumen präsentiert. Durch die Transparenz des Materials und eine Verdoppelung der Motive entstehen Überblendungen, die zu vielschichtigen Projektionsflächen transformiert werden und beim Wechseln des Betrachtungswinkels immer neue Eindrücke beim Publikum hervorrufen.
In den letzten Jahren hat sich Ursula Kreutz immer öfter mit Installation und Performance auseinandergesetzt. Arbeiten wie exil oder CMX und deren Abwandlungen bzw. Weiterentwicklungen haben eines gemeinsam: Die Künstlerin ist nicht nur Teil des Werkes, sie sieht in den Arbeiten auch eine Auseinandersetzung mit sich und ihrer persönlichen Entwicklung.
Vor wenigen Wochen wurde Ursula Kreutz mit dem Kulturförderpreis der Stadt Fürth ausgezeichnet. point hat sie in ihrem Atelier besucht und lässt sie über ihre Kunst und ihre Wahrnehmung der Welt reflektieren.
März 2015
»... eine Malerin, wie ich keine zweite im Moment sehe in Fürth und auch noch ein bißchen darüber hinaus natürlich ...« – so lobt Hans-Peter Miksch, Leiter der kunst galerie fürth, die figürlichen Werke der Künstlerin Kathrin Hausel. Wir haben ihr bei der Arbeit über die Schulter geschaut und lassen so die Zuschauer am Entstehungsprozess eines ihrer Bilder teilhaben.
Dabei ist Kathrin Hausel nicht nur Malerin: Sie unterrichtet an einer Waldorfschule Kunst und erzieht nebenbei ihre mittlerweile drei eigenen Kinder. Was bei anderen zu Stress und Überlastung führt, ist für Kathrin Hausel eine Herausforderung, der sie sich gerne stellt, wenngleich es sie schon schmerzte, als sich ihr Galerist nach der Geburt des zweiten Kindes von ihr trennte: Er war der Meinung, dass sie keine Zeit mehr für die Kunst finden würde.
Doch weit gefehlt. Kathrin Hausel malt noch immer und hat Erfolg damit: Im Jahr 2014 erhielt sie den Kulturförderpreis der Stadt Fürth.
Dezember 2014
Andreas Oehlert ist ein sehr strukturierter Mensch. Unter der Woche ist er jeden Tag ab neun Uhr in seinem Atelier »Auf AEG« zu finden. Meist sitzt er dann vor einer seiner kleinstrukturierten Aquarellzeichnungen und bringt stundenlang ein Modul nach dem anderen auf das vor ihm liegende Blatt. Vier bis sechs Wochen arbeitet der Künstler an so einer Arbeit.
Andreas Oehlert ist vielseitig. Neben den Zeichnungen beschäftigt er sich intensiv mit inszenierter Fotografie und skulpturalen Arbeiten und das oft im Extremen: Aus mehr als 70.000 Einzelteilen besteht seine neueste Vitrinenarbeit »Pracht«.
Andreas Oehlert und seine Arbeit zu beschreiben ist nicht einfach. Seine Galeristin spricht von »einem durchdrungenen Kosmos des Spielerischen und Stringenten, des Raffinierten und des Einfachen« und Dr. Thomas Heyden, Sammlungsleiter des Neuen Museums Nürnberg, glaubt, dass »das Besondere an ihm ist, dass er Klasse statt Masse praktiziert und das schon seit vielen Jahren und sehr, sehr konsequent.«
Das Portrait des Künstlers gibt einen Einblick in sein künstlerisches Schaffen und begleitet ihn auf einigen Stationen seiner Arbeit im Jahr 2014. Für seine Leistungen als Künstler wurde er im November dieses Jahres mit der Verleihung des Kulturpreises der Stadt Fürth geehrt.
Mai 2013
Mit dem Ende der Sowjetunion kommt es in der Ukraine zu großen wirtschaftlichen Problemen: Viele Menschen werden arbeitslos, manchmal fehlt es selbst für das Nötigste am Geld. Alina ist 10 Jahre alt, als ihre Mutter und ihr Stiefvater beschließen, deshalb nach Deutschland auszuwandern. Obwohl sie bei der Ankunft außer dem Satz »Hände hoch, Hose runter« kein Wort Deutsch spricht, schafft sie es bereits nach einem Jahr auf das Gymnasium.
Ihre Freizeit verbringt sie beinahe ausschließlich mit Hiphop-Tanzen. Sie trainiert fast jeden Tag und beginnt, auch andere Kids anzuleiten. Es gibt allerdings ein Problem: seit es der Familie besser geht, nimmt Alina kontinuierlich zu – trotz des vielen Sports. Vor zwei Jahren war es dann soweit: Alina wiegt inzwischen soviel, dass ihr Knie nicht mehr mitmacht. Sie muss aufhören zu tanzen.
Den Grund für die kontinuierliche Gewichtszunahme sieht sie in der Kindheit, als es der Familie zeitweise sogar am Geld für Lebensmittel fehlte: »Wenn man mal nicht genug hat, nutzt man das sehr gerne aus, wenn man was hat, sprich sobald es uns, unserer Familie dann besser ging, hab ich angefangen zuzunehmen.« Da weder Sport noch verschiedene Diätversuche weiterhelfen, sieht sie als einzige Lösung eine Magenverkleinerung. Sie fährt in ihre alte Heimat und lässt dort eine entsprechende Operation durchführen.
Das Schicksal meint es mit Alinas Familie nicht gut. Ihr Stiefvater, ein ausgebildeter Ingenieur, findet in Deutschland keine adäquate Arbeit und verstirbt schon nach wenigen Jahren. Für Alina, die von ihm, seit sie drei Jahre alt ist, aufgezogen wurde, ein harter Schlag, den sie aber gleichzeitig als große Verpflichtung empfindet. Sie macht ihr Abitur und beginnt, Architektur zu studieren: »Er kam hierher, damit ich auch was hab, und dadurch, dass er sich bemüht hat, dass es mir besser geht, hat es mich eigentlich motiviert zu studieren, mein Abi zu machen, das ist einfach nur ein Anreiz, dass aus mir was werden muss, weil sonst hat es sich halt nicht gelohnt, ne.«
Trotz aller Probleme kann sich Alina heute nicht mehr vorstellen, in der Ukraine zu leben. Sie ist in Deutschland angekommen und hat hier Freunde gefunden – aus den verschiedensten Ländern, allerdings kaum Deutsche. Auch wenn Alina Deutschland inzwischen als ihre zweite Heimat sieht, fühlt sie sich nicht deutsch. »Die typisch deutschen Eigenschaften sind einfach die Ordnung, die Pünktlichkeit, das Akkurate – das bin ich einfach nicht. Ich bin weder pünktlich, noch zuverlässig noch ordentlich und vielleicht ergibt sich auch deswegen, dass wir einfach so wenige Deutsche im Freundeskreis haben.«
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